Heute vor genau 200 Jahre ist die Verfassungsurkunde feierlich in einer Gesamtsitzung des Landtags des Großherzogtums Hessen verkündet. Es gab Grund zur Hoffnung, weil nach mehrere Jahre zähe Verhandlungen zwischen dem Großherzog, seiner Regierung und Aktivisten der Verfassungsbewegung, eine Verfassung entstanden ist, die offiziell das Großherzogtum von einer absoluten zu einer konstitutionellen Monarchie machte. Dass diese Errungenschaft wenig Früchte tragen wird, hat man zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen können. Sollte man dieses Ereignis heute trotzdem feiern?
Ich meine schon. Auch, wenn die Demokratisierung Deutschlands dadurch nicht gelungen ist, zeigt die Bewegung das es durchaus in der Geschichte Deutschlands immer wieder tapfere Personen gab, die nach etwas Besseres strebten. Sie ließen sich nicht einschüchtern. Ihr Errungenschaft, egal wie klein, muss gefeiert werden. Die Welt braucht mehr von diesem Schlag von Mensch. Vor allem brauchen die Aktivisten in Länder wie Weißrussland, Russland, Hongkong aber auch in den U.S.A., Polen und Ungarn, immer wieder Beispiele von Menschen, die sich für Freiheit und Selbstbestimmung einsetzen, auch wenn sie nicht immer vollen Erfolg haben.
Die Verfassung war aber doch einen Erfolg, auch wenn der Erfolg vielleicht nur sehr klein war. Das, was die Aktivisten der Verfassungsbewegung überwinden müssten, und wie sie die Hindernisse überwindet haben, können die Aktivisten von heute wichtige Erkenntnisse liefern, die sie für ihren Kampf verwenden können. Auch wenn wir heute keinen Monarchen mehr haben, die die Freiheit der Menschen verweigern, gibt es Herrscher und herrschende Eliten, die genau das noch tun. Wie sich die Aktivisten von damals dagegen gestemmt haben, können die Aktivisten von heute nutzen.
Es ist aber auch wichtig zu erkennen, dass die Fürsten von damals, die eine absolute Herrschaftsstil verfolgte, dies nicht unbedingt aus egoistischen, machtgierige Gründe getan haben. In Großherzog Ludwig I., der letztendlich seine Unterschrift unter die Verfassungsurkunde setzte, kann man durchaus aufgeklärten Idealen erkennen. Ich sehe schon Hinweise, dass er ein Herrscher war, der für das Wohl seines Volkes, regierte. Ich glaube schon, dass er fest die Meinung war, dass er sein Volk diente.
Wie so oft liegt das Problem im System und nicht unbedingt der Mensch. Eine Person mit zu viel Macht, mit kaum eingeschränkte Instrumente und Methoden der Autorität, verfällt leicht der Versuchung, seine Meinung über was richtig ist, mit diesen Mitteln durchzusetzen. Ein monarchisches System enthält genau solche Gefahren.
Die Aktivisten der Verfassungsbewegung von damals hatten recht, wenn sie das System änderten. Sie hatten auch recht, als sie Gewalt und gewalttätige Aktionen vermieden. Sie zeigten, dass es durchaus möglich war das System durch friedliche Mitteln und durch Überzeugung erreicht werden können.
Auch deshalb sollen wir die Personen und die Verfassung, die sie damals schufen, heute feiern.